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Justiz

Eran, eraus, an elo: Offener Brief an Justizministerin Sam Tanson. Bilanz einer 10-jährigen grünen Strafvollzugspolitik 

Eran, eraus, an elo: Offener Brief an Justizministerin Sam Tanson. Bilanz einer 10-jährigen grünen Strafvollzugspolitik

Offener Brief an Justizministerin Sam Tanson anlässlich der rezenten Veröffentlichungen du ‘rapport établi par le Comité européen pour la prévention de la torture et des peines ou traitements inhumains ou dégradants (CPT)’ Bilanz un 10-jährigen vert Strafvollzugspolitik

Sehr geehrte Frau Tanson,

 

Seit zehn Jahren steht das Justizministerium unter der Leitung der Grünen – und seit 2018 sind Sie an der Spitze. Angesichts des kürzlich erschienenen Berichts des CPT ist es nun unerlässlich, eine Bilanz der ‚grünen‘ Strafvollzugspolitik zu ziehen.

Wie das CPT in seinem Bericht eindrucksvoll berichtet, hält unser Land sich nicht an elementare internationale Richtlinien im Strafvollzug. Seit über 30 Jahren werden Minderjährige in ein Erwachsenengefängnis eingesperrt, und trotz Ankündigungen Ihrer Partei hat sich dies in den letzten 10 Jahren nicht geändert.

Es ist bedauerlich, dass die Partei ‘déi gréng’ es während ihrer zehnjährigen Amtszeit nicht vermocht hat, den rechtlichen Rahmen entsprechend zu ändern. Es ist jedoch beschämend, dass seit 2015 (dem letzten Bericht des CPT) keine wesentlichen Verbesserungen in den Haftbedingungen der Minderjährigen im Schrassiger Gefängnis erzielt wurden, gerade bei einer Ministerin, die stets betont, dass der Schutz von Minderjährigen ihr besonders am Herzen liegt.

Da sowohl Okaju und Ombudsman als auch Beiträge in der luxemburgischen Presse ausführlich die Situation der Minderjährigen thematisieren, möchten wir uns auf weitere wesentliche Probleme des Strafvollzugs konzentrieren.

Das CPT widmet 15 Seiten der Analyse des aktuellen Zustands des Strafvollzugs für Erwachsene in Luxemburg und stellt dieselben Probleme im luxemburgischen Strafvollzug fest wie unser Verein ‚eran, eraus … an elo?‘:

• Das CPT kritisiert, dass zwei ‚règlements d’exécution de la loi du 20 juillet 2018‘ bis heute nicht umgesetzt sind.

Eines dieser ‚règlement‘ sollte dem Gefängnisdirektor die Befugnis geben, die Gehälter der arbeitenden Gefangenen zu erhöhen. Eine der größten Probleme bei der erfolgreichen Resozialisierung ist zweifellos die unzureichende Entlohnung von inhaftierten Arbeitnehmern. Dies führt dazu, dass sie ohne ausreichende finanzielle Mittel aus der Haft entlassen werden.

Fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wurde dieses ‚règlement‘ jedoch noch immer nicht umgesetzt. Daher appelliert das CPT ‚les autorités luxembourgeoises à adopter les deux règlements dans les plus brefs délais et souhaiterait être informé de tout développement en la matière’.

Es ist nicht ausreichend, sich kontinuierlich auf die langen Bearbeitungszeiten zu berufen, die vom Staatsrat verursacht werden. Solche wichtigen politischen Beschlüsse müssen mit politischem Engagement vorangetrieben werden.

Es ist enttäuschend festzustellen, dass nach einem Jahrzehnt der ‚grünen‘ Strafvollzugspolitik und angesichts bedeutender Reformen in unseren Nachbarländern wie beispielsweise die Einführung des ‚statut du travailleur pénitentiaire‘ in Frankreich – im Bereich der Arbeitsbedingungen für Gefangene in Luxemburg keine Fortschritte zu erkennen sind.

Hinzu kommt, dass die Möglichkeit, eine Ausbildung im Gefängnis zu absolvieren, während der Amtszeit von Felix Bratz gestrichen wurde – ohne je stichhaltige Begründungen dafür anzuführen.

• Das CPT stellt fest, dass die hohe Zahl von Häftlingen in Luxemburg hauptsächlich auf die hohe Zahl von Untersuchungshäftlingen zurückzuführen ist. Laut CPT sind aktuell 50% der Häftlinge U-Häftlinge. Damit nimmt Luxemburg einen Spitzenplatz in Europa ein. Im Jahr 2013 betrug der Anteil der Untersuchungshäftlinge an der Gesamtbevölkerung im Gefängnis ‚lediglich‘ 42 %.

Lösungsansätze zu dieser Problematik finden sich im Bericht des Justizministeriums 2022.

Seite 81: die Procureur général d’Etat, Martine Solovieff, schlägt vor, die Zeit in der Untersuchungshaft zu begrenzen und das französische Modell in Luxemburg zu adaptieren. Solovieff bemerkt: ‘Contrairement à certains de nos pays voisins, notre droit ne prévoit pas de durée maximale pour la détention provisoire’.

Seite 179 : die Präsidentin des Amtsgerichts Diekirch, Brigitte Konz fordert: ‘Il serait important d’introduire dans l’intérêt de la protection des victimes des violences domestiques, à l’instar de la Belgique et de la France, le système du téléphone ‘grave danger’ et le dispositif ‘anti rapprochement’ constitué par un bracelet électronique (…)’.

In den letzten 10 Jahren wurde die Fußfessel als primäre Alternative zur Inhaftierung immer seltener eingesetzt, obwohl das Gesetz von 2018 der Fußfessel einen rechtlichen Rahmen gegeben hat. Laut dem Bericht 2022 des Justizministeriums (Seite 429) gab es 2013 85 Häftlinge mit Fußfessel, während es 2022 nur noch 36 waren. Das CPT merkt an (Fußnote 122, Seite 46) : ‘Au moment de la visite [du 27 mars au 4 avril 2023], seulement neuf personnes condamnées bénéficiaient de la surveillance électronique.’

Es ist nicht ausreichend, als Justizministerin ständig darauf hinzuweisen, dass die Justiz unabhängig ist und selbst entscheidet, wer ins Gefängnis muss. Es ist die Aufgabe einer Justizministerin, für den gesetzlichen Rahmen zu sorgen, sodass möglichst wenige Personen und nur in extremen Fällen – als “ultima ratio” – inhaftiert werden.

• Seit Jahren engagiert sich unser Verein für eine reformierte Strafvollzugspolitik, und wir sind überzeugt, dass jeder zusätzliche Gefängnisplatz unnötig ist. In dieser Hinsicht teilen wir die Ansicht des CPT, welches betont: ‘Le CPT est fortement convaincu que la construction de nouvelles prisons ne constitue pas une solution durable au problème de la surpopulation. De l’avis du CPT, le principe selon lequel la détention provisoire est une mesure de dernier recours implique en premier lieu l’application, si possible, de mesures non privatives de liberté.’

Dass Felix Bratz 2014 das kontroverse Projekt des Baus eines neuen Untersuchungsgefängnisses durch das Parlament brachte, gehört zweifellos zu den gravierendsten Fehltritten der grünen Strafvollzugspolitik. Dieses Projekt wurde ursprünglich von dem sehr konservativen Justizminister Luc Frieden vorgeschlagen.

Josée Lorsché, die Fraktionsvorsitzende, und Justizminister Felix Bratz argumentierten im Parlament für diesen Bau, wobei sie täuschende Begründungen heranzogen, insbesondere die angebliche internationale Kritik, die Luxemburg dafür erhielt, Untersuchungshäftlinge und verurteilte Straftäter nicht ausreichend voneinander zu trennen. Auf Nachfrage konnten weder Josée Lorsché noch das Justizministerium Belege für diese angebliche internationale Kritik vorlegen – da es schlichtweg diese internationale Kritik nie gegeben hat.

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Mit dem Projekt ‚centre pénitentiaire d’Uerschterhaff‘ hat Felix Bratz die Kapazität der luxemburgischen Gefängnisse schlagartig um 57% erhöht – ein solches Ausmaß an Zuwachs an Gefängnisplätzen hat es in einem demokratischen Staat bisher nicht gegeben. Dass Politiker der Partie ‚déi gréng‘ bis heute versuchen, dies als großen Erfolg darzustellen, ist zynisch.

Statt die vielfältigen Gründe für den Anstieg der Gefangenenzahlen direkt anzugehen oder den Ausbau von Alternativen zur Inhaftierung voranzutreiben, wurden durch den Bau des Gefängnisses enorme finanzielle Ressourcen aufgewendet (Investitionen von etwa 200 Millionen Euro für den Neubau und immense laufende Kosten, insbesondere durch die Einstellung von 300 neuen Mitarbeitern). Diese beträchtlichen Mittel hätten an anderer Stelle effektiver investiert werden können – beispielsweise in einen umfassenden Ausbau von Therapieplätzen für Drogenabhängige.

• Die Haftbedingungen für Frauen im Schrassiger Gefängnis sind sehr bedenklich. Schon im Jahr 2017 machte die Ombudsfrau Claudia Monti mit einem 43-seitigen Bericht auf die unzureichenden Verhältnisse im Schrassiger Gefängnis aufmerksam. 2017 wurde unter ihrem Vorgänger Felix Bratz entschieden, weibliche Untersuchungshäftlinge nicht im neuen Gefängnis in Sanem unterzubringen, sondern sie in Schrassig zu belassen.

Diese Entscheidung bleibt vielen bis heute unverständlich. Gleiches gilt übrigens auch für den Beschluss, den Transport von (ungefährlichen) Gefangenen durch die Polizei durchführen zu lassen.

In Claudia Montis Bericht steht: ‘(…) le Médiateur a eu connaissance qu’il n’est pas prévu de transférer les femmes prévenues au CPU. Le Médiateur se demande s’il ne s’agit pas d’une différence de traitement et d’une discrimination difficilement justifiable’

2020 veröffentlichte unser Verein einen Bericht, um zu prüfen, inwiefern die Forderungen von Claudia Monti umgesetzt wurden. Leider mussten wir feststellen, dass sich an den Haftbedingungen der Frauen kaum etwas verbessert hat.

Es ist zu erwarten, dass sich die Haftbedingungen für Frauen mit der Eröffnung des Gefängnisses in Sanem und der dadurch gewonnenen Platzkapazität in Schrassig verbessern werden.

Dennoch bleibt für uns unverständlich, warum bis heute nicht mehr unternommen wurde, um die Verhältnisse für Frauen im Gefängnis zu verbessern. Im aktuellen Bericht des CPT lesen wir: ‘Ces possibilités de travail [pour les femmes détenues] étaient cependant largement stéréotypées, répétitives et peu stimulantes. Elles se résumaient à la corvée, au repassage, au bricolage et à la couture.’

Es wäre ein Zeichen fortschrittlicher, grüner Strafvollzugspolitik gewesen, die Haftbedingungen für Frauen signifikant zu verbessern. Bis heute gibt es jedoch Schwierigkeiten dabei, den speziellen Anforderungen und Rollen von Frauen in luxemburgischen Gefängnissen gerecht zu werden. Dies wird auch von der luxemburgischen ‚commission consultative des droits de l’homme‘ in ihrer Stellungnahme zum oben genannten ‚règlement‘ vom Dezember 2022 bestätigt. In ihrem Gutachten schreiben sie: ‚A la lecture du PRGD, l’absence de mention spécifique par rapport à la situation des femmes dans les centres pénitentiaires est frappante, alors que des règles spécifiques, prévues au niveau international, s’avèreraient nécessaires. De plus, il est à déplorer que le RGD de 1989 prévoyait certaines dispositions spécifiques pour les femmes enceintes ou accompagnées d’un enfant en bas âge, qui n’ont toutefois pas trouvé leur place dans ce nouveau PRGD‘.

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• Unter Ihrem Vorgänger Felix Bratz wurde das Projekt der ‚maison de transition‘ von dem Kriminologen Guy Schmit und der Caritas entwickelt. Das Konzept zielte darauf ab, dezentrale, kleinere Strukturen zu schaffen, um ein effektives Übergangsmanagement zu gewährleisten. Ihr Vorgänger, Felix Bratz, bezeichnete die ‚maison de transition‘ als zentrale Maßnahme der Reform von 2018 und als essenzielles Element einer erfolgreichen Resozialisierung.

Obwohl das Projekt im Koalitionsvertrag von 2018 ausdrücklich erwähnt wurde, ist es für viele unverständlich, warum Sie (zusammen mit der damaligen Familienministerin Cahen) dieses sinnvolle Vorhaben mit fragwürdigen Argumenten beschnitten haben. Als Resultat gibt es keine zusätzliche Wohnstruktur; lediglich Plätze im Foyer Ulysse werden bereitgestellt. Das Projekt hat dadurch an Glaubwürdigkeit und Effektivität verloren und ist praktisch zu einer Farce geworden.

Damit steht Luxemburg als einer der wenigen europäischen Länder ohne eine ‚maison de transition‘ da.

Die Folgen einer solch unverständlichen Politik zeigen sich klar in den Zahlen: Laut Seite 661 des Berichts des Justizministeriums von 2022 hält Serge Legil, der Direktor der Gefängnisverwaltung, fest: ‚le taux de récidivistes est de 27%. Il augmente de 3% par rapport à 2021‘.

Das Versäumnis, das gut durchdachte Projekt ‚maison de transition‘ umzusetzen, ist das größte Manko Ihrer beinahe fünfjährigen Amtszeit. Dies wird in den kommenden Jahren erhebliche Probleme für die Strafvollzugspolitik mit sich bringen.

Unser Verein führte im Jahr 2017 ein erstes Treffen mit Herrn Felix Bratz durch. Dabei machten wir ihn auf die problematische Situation des Strafvollzugs in Luxemburg aufmerksam. Zu unserem Bedauern hatten wir den Eindruck, dass Herr Bratz die Dringlichkeit der Situation nicht vollständig erfasste.

Herr Bratz benötigte ganze fünf Jahre (von 2013 bis 2018), um die dringend notwendige Reform, die vom vorherigen Justizminister Biltgen im Jahr 2012 ausgearbeitet wurde, durch das Parlament zu bringen. Es ist bemerkenswert, dass Felix Bratz im Bereich der Strafvollstreckung einen vollständigen Richtungswechsel vollzog. Anstatt einen Haftrichter einzuführen, entschied er sich dafür, die Strafvollstreckung in erster Instanz unter der Leitung der Staatsanwaltschaft zu belassen. Aus rechtsstaatlicher Sicht könnte man das als bedenklich ansehen.

2018 luden Sie uns zu einem ersten Gespräch in Ihrem Ministerium ein. Mit einer engagierten Juristin an der Spitze des Ministeriums waren wir voller Hoffnung und Optimismus. Sie haben uns versprochen, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um die Resozialisierung von Häftlingen zu erleichtern.

Als wir uns im Sommer 2022 erneut in Ihrem Ministerium trafen, war von dieser anfänglichen Zuversicht leider nichts mehr zu spüren und es schien, als könnten wir Ihnen die drängenden Probleme des Strafvollzugs nicht mehr vermitteln.

Der aktuelle Bericht des CPT spricht Bände – es werden fast ausschließlich Kritikpunkte bezüglich Ihrer Strafvollzugspolitik geäußert – mit nur sehr wenigen positiven Anmerkungen.

Luxemburg, als Gründungsmitglied der Europäischen Union und als selbstproklamiert fortschrittlicher Staat, sollte nicht von internationalen Institutionen in solch einer Weise kritisiert werden können. Die notwendigen Lösungen sind bekannt. Es mangelt jedoch an politischer Entschlossenheit und an einer klaren Vision.

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Als Justizminister lag es in der Hand von ‚grünen‘ Politikern, die Bedingungen im Strafvollzug zu reformieren und die Rechte der Inhaftierten zu gewährleisten. Sie, und Ihr Vorgänger, hatten die Möglichkeit Veränderungen herbeizuführen.

Es ist sicherlich eine Herausforderung, in Luxemburg eine fortschrittliche Strafvollzugspolitik zu betreiben. Dennoch ist es bedauerlich, dass während einer 10-jährigen Amtszeit von ‚grünen‘ Justizministern kaum spürbare Fortschritte erzielt wurden. Dazu kommt, dass zentrale Aspekte des Gesetzes von 2018 bis heute nicht umgesetzt worden sind.

Wir hätten uns von Ihnen schlichtweg mehr Mut zur Innovation und Umsetzung gewünscht.

Die Bilanz nach einer 10-jährigen ‚grünen‘ Strafvollzugspolitik ist mangelhaft.

Christian Richartz Präsident

Nadia Meyers Sekretärin

Gregory Fonseca Schatzmeister

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