„Ein guter Mensch sein, ja wer wär’ s nicht gern? / Doch leider sind auf diesem Sterne eben / die Mittel kärglich und die Menschen roh / Wer möchte nicht in Fried’ und Eintracht leben? / Doch die Verhältnisse – sie sind nicht so.“
so der bekannte Text eines Liedes aus Bertold Brechts Dreigroschenoper.
Mit der erneut drohenden Schließung von Restaurants, Fitnessstudios, Bars und anderen Geschäften, wächst auch die Zahl der Menschen, die ihre Existenzgrundlage verlieren. Die Rettungspakete, die für viele eh nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, reichen nicht aus. Viele Menschen und Familien drohen europaweit in ernste existentielle Schwierigkeiten abzurutschen und wissen jetzt schon nicht mehr, wie sie ihre Mieten, Rechnungen und Lebensmittel bezahlen sollen.
In dem Sinne wundert die eindringliche Forderung nach einem europaweiten bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), die bekanntlich nicht neu ist, wohl kaum. So mancher, der sich vor „Corona“ nie in der Situation gesehen hat, auf ein derartiges Einkommen angewiesen zu sein, das faktisch einer monatlichen Grundsicherung gleichkommt, sieht sich heuer sehr wohl in dieser Situation. Das im Titel dieses Beitrages bereits angedeutete BGE ist eine bedingungslose, monatliche Zahlung, die alle erhalten und wäre der schnellste und effektivste Weg, allen die finanzielle Sicherheit zu geben, die sie jetzt dringend brauchen. Es wäre in der Tat an der Zeit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU das BGE umsetzen, damit Menschen diese Pandemie überstehen. Jetzt muss die EU und die diese Union repräsentierende politische Klasse, die so gerne vollmundige Sprüche à la „Europa der Bürger“ von sich gibt, in real zeigen, dass sie Europäer*innen ein Schutznetz für ihre Grundbedürfnisse schafft, die von dieser todernsten sanitären Krise dramatisch verschlimmert wurden, ernste Bedürfnisse, die ob schwindender Einnahmen täglich noch weiter steigen werden – unweigerlich, aber sicher! Denn 22% der Europäer*innen sind bereits von Armut bedroht, und diese Zahl wächst täglich weiter. In Deutschland ist das Armutsrisiko so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch die Kinderarmut verschärft sich. Die Rettungsmaßnahmen reichen nicht aus, um alle zu unterstützen. So jedenfalls entsprechende Fakten, die in der deutschen Presse veröffentlicht wurden. In dem Sinne wäre ein Grundeinkommen wohl das wirksamste Instrument, das die EU einsetzen könnte. Es garantiert zumindest jedem Menschen eine bedingungslose monatliche Zahlung, die ein Grundniveau an Sicherheit im Alltag garantiert. Das System ist einfach, schnell einzuführen, und erfordert nur ein Minimum an Bürokratie – soweit man das entsprechend organisieren würde.
Nur, das ist die eine Seite der Medaille, die Einführung eines viele rettenden BGE – an sich und auf den ersten Blick vielleicht eine gute Sache, wie man annehmen könnte. Jedoch, auf den zweiten Blick betrachtet, sieht die Chose schon mal anders aus. Das Weltwirtschaftsforum, der Club der größten multinationalen Konzerne, propagiert erstaunlicherweise seit einigen Jahren die gleiche Idee unter der Bezeichnung eines „universellen Grundeinkommens“. Dahinter steckt natürlich kein verdächtiger Anfall von (vermeintlicher) „Menschenfreundlichkeit“, sondern Machtkalkül und Gewinnstreben.
Es gibt für Eingeweihte nämlich Überschneidungen mit den Kampagnen gegen das Bargeld und für die biometrische Identifizierung – und das bedeutet generell ganz einfach Überwachung, Kontrolle! Denn es liegt auf der Hand, dass ein (angedachtes) „weltweites Grundeinkommen“, das natürlich sehr bescheiden zu sein hat, die Krönung der Programme zur Massenüberwachung („1984“ lässt grüßen) darstellen würde. Kein Bargeld mehr, alle Menschen mit Identifikationsnummern mit biometrischer Unterlegung, so dass das permanente Kontrollinstrument Internet für die digitale Bewegungskontrolle zunehmend auch mit den anderen Mitteln, gekoppelt an eben dieses garantierte Grundeinkommen, auf die analoge Welt ausgeweitet werden kann. Diese Strategie des Kapitals soll mittels des zusätzlichen Elementes des universellen Grundeinkommens, das eben auch als „bedingungslos“ bezeichnet wird, erweitert werden. Damit sollen die Menschen überall auf der Welt „befriedet“ und abhängig gemacht werden. Denn es besteht in den Augen des Kapitals als sehr bedenkliche Alternative zu diesem bedingungslosen Grundeinkommen die zunehmende Wahrscheinlichkeit sozialer Unruhen, Konflikte, Streikaktionen, nicht beherrschbarer Massenmigration und das Gedeihen extremistischer Gruppen, die die soziale Enttäuschung für ihre Zwecke nutzen. Auch hierzulande wird die Idee des BGE durchaus thematisiert, wissend, dass so einiges, besonders in aktuellem Pandemie-Kontext, auf dem Spiel steht und soziale Unruhen Gift für den Wirtschaftsstandort sind, dessen Grundpfeiler immer der soziale Frieden unseres sehr wirtschaftsfreundlichen Ländles war, ist und auch bleiben muss. Das interessiert uns alle, ob Patronat , Salariat oder Renten– und Pensionsbezieher.
Nur: Rettung BGE? Ein soziales, universelles, garantiertes Grundeinkommen, das ausreichen soll, eine Person auf einem bescheidenen Minimalniveau am Leben zu erhalten? Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das erst einmal „bedingungslos“ beginnen könnte, um es dann auf einmal zu kürzen, es gewissen Einschränkungen zu unterziehen, oder auch an gewisse Maßnahmen zu koppeln oder irgendein unerwünschtes Verhalten eventuell mit einer „Strafkürzung“ entsprechend zu sanktionieren? Es ist egal wie, immer verdächtig, wenn sich gewisse Protagonisten des Silicon Valley durchaus öffentlich für ein allgemeines Grundeinkommen einsetzen. Im Sinne ihrer libertären Philosophie, die allerdings (wie erwähnt) durchaus sehr hinterhältig sein dürfte. Vergessen sollte man ebenfalls nicht, dass so manche heute noch „normalen“ Sozialleistungen durch dieses (mit Sicherheit bescheidene!) Grundeinkommen wegfallen werden. Genau davor warnen uns kritische Stimmen, wie beispielsweise ein Bostoner Professor eindringlich. Denn das „universelle Grundeinkommen“ habe alle Merkmale von „Brot und Spiele“, die das römische und das byzantinische Reich nutzten, um Unzufriedenheit zu zerstreuen und die Massen ruhigzustellen, anstatt ihnen ökonomische Chancen und politische Mitsprache zu ermöglichen.
Womit wir dann beim eigentlichen Grundübel der heutigen sozialen Probleme wären, die ihre Wurzeln nämlich in der Missachtung des demokratischen Prozesses haben. Denn die Lösung kann in der Tat nicht die sein, genug Krümel zu verteilen, um die Leute daheim, abgelenkt und sonst wie befriedigt zu halten, sondern den demokratischen Prozess wiederzubeleben.
Und die Politik muss wieder viel mehr sein, als der Spielraum, der die Wirtschaft ihr lässt…auf dass die Verhältnisse, die so eben nicht sind, uns wieder erlauben , auf diesem Stern „in Fried‘ und Eintracht“ zu leben….
Unser aller eigentliches Grundrecht!
Frank Bertemes