„Man sollte nie so viel zu tun haben, dass man zum Nachdenken keine Zeit mehr hat.“
Georg Christoph Lichtenberg
Diese Aufforderung gilt auch (und vielleicht besonders) für die moderne digitale Welt. Mit ihr kommt unweigerlich die Angst vor Veränderung. Warum kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist? Das Problem: So funktioniert die Welt eben nicht. Das Wesen der Innovation ist bekanntlich, dass sich Dinge verändern. An sich klar, ebenso wie die nicht zu verleugnenden Vorteile der Digitalisierung. Nur: ihre Nachteile, ja ihre Gefahren, die so gerne verharmlost oder glatt verschwiegen werden, sind genauso offensichtlich – sofern man sich, siehe Lichtenbergs einführende Weisheit, die Zeit zum kritischen Nachdenken in unserer völlig überfordernden Zeit noch nimmt…
Wir leben in einer Welt, die immer mehr Gewalttaten diverser Art erlebt. Nicht nur der internationale Terror fordert den Rechtsstaat, Gewalt und Hass jedweder Form erzeugen Angst und Unsicherheit. Folglich wachsen die Erwartungshaltungen der Bürger an den Staat, von dem erwartet wird, für einen möglichst hohen Grad an Sicherheit im Alltag zu sorgen. Heuer hochaktuell ist in Deutschland die rezente tödliche Messerattacke von Solingen, die natürlich eine prompte Sicherheitsdebatte mit politischen Diskussionen provozierte. Der Chaos Computer Club reagierte auf das in diesem Kontext verabschiedete Sicherheitspaket der Bundesregierung in einer bestens formulierten Stellungnahme. Der CCC schreibt:
„Das neue „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung beinhaltet gefährliche Überwachungsvorhaben. Die geplante biometrische Erfassung von Gesichtsbildern aus dem Internet ist ein Angriff auf die Privatsphäre aller – ohne klare Notwendigkeit oder Nutzen. (…) Die Ampel-Koalition möchte faktisch Anonymität beenden und uns alle immer und überall identifizierbar machen. (…)
Verkauft wird die neue biometrische Rundum-Überwachung jetzt als „Maßnahme gegen gewaltbereiten Islamismus“. Doch schon in dem vor zwei Wochen geleakten BMI-Referentenentwurf für ein neues BKA-Gesetz ist die Idee weitreichender biometrischer Überwachung enthalten. Und zwar mit noch mehr biometrischen Daten, die aus dem Internet gesammelt werden sollen, etwa „Bewegungs-, Handlungs- oder Sprechmuster.“
Zusätzlich sollen polizeiliche Daten automatisiert mit Software analysiert und sogar für das Testen und das Training von „KI-Anwendungen“ genutzt werden. Das bedeutet praktisch, dass der ganze Zoo polizeilicher Datenbanken nicht nur zusammengeführt werden soll, sondern die Daten in „KI-Anwendungen“ enden werden. Offenbar ignoriert die Bundesregierung die Fehleranfälligkeit und Risiken von KI und sitzt dem KI-Hype auf. (…)
Die biometrischen Überwachungsmaßnahmen führen in eine dystopische Zukunft, in der niemand mehr anonym im öffentlichen Raum oder im Internet unterwegs sein kann. Das Recht, sich frei und unbeobachtet bewegen zu können, ist essentiell für eine funktionierende Demokratie. Eine Gesellschaft, in der jede Bewegung erfasst und analysiert werden kann, führt zu Selbstzensur, Misstrauen und einem Klima der Angst. Dieser Überwachungsexzess ist ein direkter Angriff auf die Freiheit und die Privatsphäre jeder Einzelnen.
Die Ampel sollte ihren eigenen Koalitionsvertrag lesen und sich daran erinnern, wofür sie einmal angetreten ist: „Den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“ (Ende der zitierten Stellungnahme)
Diese Problematik ist selbstverständlich in einen Gesamtkontext europäischer, gar weltweiter Sicherheitspolitik mit allen Facetten und ihren jeweiligen Konsequenzen zu setzen, die sich in diversen Bereichen unseres Lebens direkt widerspiegeln respektive daraus ergeben werden. Denn Deutschland steht sicherlich stellvertretend für alle Länder da. Die Aufgabe des Rechtsstaates ist es in der Tat, Gefahren abzuwenden und das Recht wirkungsvoll durchzusetzen. Nur: Wie weit darf ein Staat gehen, wie weit kann, sprich darf der Zweck nun aber die Mittel heiligen? Die Rechte der Bürger müssen verteidigt werden, doch Sicherheit zu Lasten der Freiheitsrechte erreichen zu wollen, führt letztendlich zu einem autoritären Staat. Und ebendiesem nutzen die (dann zweckentfremdeten) Instrumente der Digitalisierung. Aktuell wird in den USA, laut Medienberichten, intensiv an einem Präsidialdekret gearbeitet, das die bereits in einigen Staaten eingeführten, smartphonebasierten digitalen Führerscheine überall zur Pflicht machen und vereinheitlichen soll. Wissend, dass es in den USA keine Personalausweise gibt, sind eben Führerscheine neben der Sozialversicherungsnummer die praktische Form des Ausweises. So soll nun die Nutzung digitaler Identitätsnachweise nachdrücklich ermutigt werden. Positiv gesehen, sollen so Geldwäsche und Betrug verhindert und der Schutz Minderjähriger erzielt werden. Das jedoch auch mittels Nutzung biometrischer digitaler Identitäten, meint anhand messbarer, individueller Körpermerkmale. die möglichst allen Erdenbürgern zugeteilt werden sollen. Das bedeutet natürlich auch, dass die EU wiederum mitspielen muss und diese US-diktierten Vorgaben – und das nun höchst negativ betrachtet – die das totalitäre Überwachungspotential zwecks konkreter Zuordnung mittels ebendieser digitalen ID zu jedem einzelnen Menschen dann weltweit in real ermöglichen soll, erfüllen wird. Das meint konkret: Wir müssen uns als Bürger dem Digitalzwang und der Digitalisierung aller Lebensbereiche, die schleichend erzielt werden sollen, engagiert widersetzen. Wir alle werden gläsern und auch aus der Ferne ausforschbar, kontrollierbar, dies neben der globalen Überwachung auch von nationalen Behörden. Dazu werden sich private Unternehmen die meisten unserer persönlichen Daten von privaten Sammelstellen kaufen können…
Wollen wir das?
Ich denke, man sollte sich in dieser hinsicht keine illusionen mehr machen.
Da immer performantere biometrische ueberwachung oder facial recognition systeme auf den markt kommen und auch immer billiger werden ,kann man davon ausgehen, dass sie sich weltweit durchsetzen.
Dann braucht nur jemand einen neuen 911 zu organisieren oder selbst eine nummer kleiner…und fast jeder wird sagen….mit mehr elektonischer ueberwachung waere das zu verhindern gewesen.
Was der chinese kann …das kann eine EU kommission unter frau vdl und ihren nachfolgern auch.
Und selbst wenn der kunde beim cactus einkauft und das system ihm seinen lieblingswein und lieblingsfruechte automatisch bei gesichtserkennung bringt…das werden viele als positiv empfinden.