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Aussepolitik

Frank Bertemes: Cui bono, Ukraine? 

Frank Bertemes: Cui bono, Ukraine?
Photo de Kostiantyn Stupak: https://www.pexels.com/fr-fr/photo/champ-vert-sous-les-nuages-blancs-et-bleus-pendant-la-journee-190340/

“Ich kenne hundert Möglichkeiten, den russischen Bären aus seiner Höhle zu ziehen, aber keine, um ihn zurückzuziehen.“

Otto von Bismarck

Es geht um viel in der Ukraine. Ein Land, dessen unabhängige Existenz an sich jedoch für gewisse Interessen eher unwichtig ist. Denn es geht einzig und allein um die Interessen der USA. Bismarck wusste schon zu seiner Zeit genau, wovon er sprach – wissen die USA es heute auch? Oder riskiert man – sprich wir als EU- Wahlvolk – tatsächlich einen dritten Weltkrieg aus purer US-amerikanischer Gier erleben zu müssen?

Es sind weltbekannte US-Amerikaner, die schon vor Jahren warnten – allerdings nicht vor den Russen, sondern vor den USA selbst! Der Politologe George Friedman sagte bereits im Jahre 2015, dass es seit langem traditionelle amerikanische Außenpolitik wäre, ein Zusammenwachsen der Beziehungen Deutschlands und Russlands zu verhindern. Deutschland habe die Technologien und Finanzen, Russland die Ressourcen. Somit sehen die USA in dieser Zusammenarbeit die einzige für sie bedrohliche Macht, die es demnach mit allen Mitteln zu verhindern gilt.  Nach George Friedman galt schon während der beiden Weltkriege und des Kalten Krieges das Hauptinteresse der USA, das Zusammenwachsen der Potentiale Russlands und Deutschlands zu verhindern.

Ferner stellte Paul Christy, Professor an der Columbia Universität, unmissverständlich klar, worum es den USA im Kontext der Ukraine geht. Denn, so der Experte, ob die Ukraine eine Einheit auf der Weltkarte bleibt oder zerfällt, spiele überhaupt keine Rolle. Die Hauptaufgabe der Ukraine sei, Europa und Russland so zu spalten, dass die Europäer den Handel mit Russland aufgeben und ihre Wirtschaft vollständig auf die USA ausrichten. Und was dabei in der Ukraine passiert, interessiere niemanden. Klare Worte, die so einiges aussagen…

Egal wie man es auch sehen mag, als Europäer müssen wir uns die Frage stellen, ob wir aus purer US-amerikanischer Gier tatsächlich einen dritten Weltkrieg zulassen dürfen.

Der russische Bär ist jedenfalls – und auch das ist seit Jahren von den USA vorbereitet – rasend vor Wut aus seiner Höhle gezogen worden….Wie soll der Westen ihn nun dorthin zum Rückzug bewegen?

Dass Deutschland mit Olaf Scholz neben der EU dabei eine wichtige Rolle zu spielen hat, dürfte wohl klar sein…

Frank Bertemes

 

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3 Comments

  1. Frank Bertemes

    Dozou vläicht nach een intressanten Artikel aus der ZEIT vun där leschter Woch:

    Po­li­tik · Ti­na Hil­de­brandt, Jörg Lau, An­na Sauer­brey, Mi­cha­el Thu­mann, Hein­rich We­fing
    Der blin­de Fleck

    Die di­plo­ma­ti­sche Stim­mung zwi­schen Deutsch­land und der Ukrai­ne ist ge­reizt. Die Grün­de rei­chen in die Zeit weit vor dem Be­ginn des rus­si­schen An­griffs­krie­ges zu­rück
    Seit dem 24. Fe­bru­ar, seit der rus­si­schen In­va­si­on in der Ukrai­ne, lau­tet die De­vi­se im po­li­ti­schen Ber­lin: Über die Ukrai­ne sa­gen wir öf­fent­lich nur Gu­tes. Das Land wur­de über­fal­len, kämpft um sei­ne Exis­tenz, braucht die Un­ter­stüt­zung des Wes­tens. Da ver­bie­tet sich je­de Kri­tik, selbst wenn Kiew ge­le­gent­lich rup­pig auf­tritt. Wenn der Bun­des­prä­si­dent aus­ge­la­den wird, wenn der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter in Ber­lin vie­le nervt mit sei­nen Auf­trit­ten, dann hei­ßt es nur schmal­lip­pig, der Ver­tre­ter ei­nes an­ge­grif­fe­nen Lan­des ha­be na­tür­lich je­des Recht, un­di­plo­ma­tisch auf­zu­tre­ten.

    Doch un­ter die­ser zäh­ne­knir­schen­den So­li­da­ri­tät, die­ser ge­press­ten Höf­lich­keit liegt et­was an­de­res, Un­freund­li­che­res. Et­was, das schwer greif­bar ist, ein Schlei­er an Vor­ur­tei­len, ein Bo­den­satz schlech­ter Er­fah­run­gen, die Kiew und Ber­lin mit­ein­an­der ge­macht ha­ben, die man ein­an­der nach­trägt. Die den Blick auf die Ge­gen­wart prä­gen. Und die min­des­tens zum Teil er­klä­ren, war­um die Be­zie­hun­gen zwi­schen der Ukrai­ne und Deutsch­land ge­ra­de der­art ver­kan­tet sind.

    Un­ter dem exis­ten­zi­el­len Druck des Krie­ges schaut die Ukrai­ne ex­trem kri­tisch auf die deut­sche Po­li­tik. Vie­le Ukrai­ner glaub­ten, sagt et­wa An­dré Här­tel von der Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik (SWP)in Ber­lin, ei­ner der bes­ten Ken­ner der ukrai­ni­schen In­nen­po­li­tik, Deutsch­land be­fin­de sich we­gen sei­ner »Ab­hän­gig­keit von rus­si­scher En­er­gie in ei­ner fak­ti­schen Kol­la­bo­ra­ti­on mit Mos­kau: Wir sind nicht in der La­ge, uns vom Gas zu ent­kop­peln, wir lie­fern nicht sys­te­ma­tisch schwe­re Waf­fen wie an­de­re, und kom­mu­ni­ka­tiv-sym­bo­lisch set­zen wir auf Zu­rück­hal­tung.« In Kiew sei des­halb die Ver­mu­tung weit ver­brei­tet, so Här­tel, vie­le in der deut­schen po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Eli­te woll­ten ei­ne mög­lichst »schnel­le Rück­kehr zum busi­ness as usu­al mit Russ­land«. Es ist ei­ne Ver­mu­tung, die auch in Deutsch­land vie­le ha­ben.

    Die­se Ein­schät­zung speist sich aus fast drei­ßig Jah­ren Er­fah­rung mit ei­ner deut­schen Po­li­tik, die im­mer die Au­gen­hö­he mit Mos­kau such­te und da­bei fast kon­se­quent über die Ukrai­ne hin­wegsah.

    Die Pu­bli­zis­tin Ma­ri­na Weis­band ist in Kiew ge­bo­ren, mit sie­ben Jah­ren zog sie mit ih­ren El­tern nach Wup­per­tal. Vor­ur­tei­le ge­gen die Ukrai­ne, sagt Weis­band, sei­en ihr in Deutsch­land nie be­geg­net: Das Land sei den Deut­schen ein­fach völ­lig egal ge­we­sen und un­be­kannt, kein ei­gen­stän­di­ges Sub­jekt, exis­tent nur in sei­ner Ab­lei­tung von Russ­land.

    Weis­bands pri­va­te Er­fah­rung deckt sich mit der po­li­ti­schen. Nach der Un­ab­hän­gig­keit der Ukrai­ne 1991 dau­er­te es zwei Jah­re, bis der da­ma­li­ge Bun­des­kanz­ler Hel­mut Kohl sei­ne ers­te Rei­se nach Kiew un­ter­nahm. Ger­hard Schrö­der fuhr zwei­mal in sei­ner ers­ten Amts­zeit in die Ukrai­ne, da­nach nicht mehr – hat­te aber stets reich­lich Zeit für Russ­land.

    Erst An­ge­la Mer­kel be­such­te das Land re­gel­mä­ßig, zu­letzt 2021 vor der Pan­de­mie. In ih­re Re­gie­rungs­zeit aber fie­len Ent­schei­dun­gen, die in der Ukrai­ne bis heu­te Un­ver­ständ­nis und Zorn aus­lö­sen. 2008 blo­ckier­te Mer­kel ge­mein­sam mit Frank­reich al­le Plä­ne für ei­ne Auf­nah­me der Ukrai­ne in die Na­to. Sie ließ die Ge­sprä­che mit Pu­tin 2014 auch nach der rus­si­schen An­ne­xi­on der Krim nicht ab­rei­ßen, ver­mit­tel­te 2015 in Minsk ge­mein­sam mit dem heu­ti­gen Bun­des­prä­si­den­ten Stein­mei­er ei­nen fra­gi­len Waf­fen­still­stand für den Don­bass, der von der Ukrai­ne als Dik­tat emp­fun­den wur­de, und ließ schlie­ß­lich den Bau der Ost­see­pipe­line Nord Stream 2 zu, ge­gen hef­ti­ge Pro­tes­te der Ukrai­ner, aber auch der Po­len, Bal­ten und Ame­ri­ka­ner.

    Dass heu­te an ent­schei­den­den Stel­len im Kanz­ler­amt und im Au­ßen­mi­nis­te­ri­um im­mer noch al­te Be­kann­te aus dem Team Stein­mei­er sit­zen, macht die Sa­che aus ukrai­ni­scher Sicht nicht bes­ser. Und auch Scholz hat ja lan­ge die Aus­re­de nach­ge­be­tet, bei der Pipe­line Nord Stream 2 han­de­le es sich um ein rein pri­vat­wirt­schaft­li­ches Pro­jekt. Alyo­na Get­man­chuk, die Di­rek­to­rin des Zen­trums Neu­es Eu­ro­pa in Kiew, sagt rück­bli­ckend, »mit Ber­lin tei­len wir ei­nen Schicht­ku­chen aus vie­len Ent­täu­schun­gen«.

    Ein Na­to-Bei­tritt der Ukrai­ne sei 2008 völ­lig un­denk­bar ge­we­sen, er­in­nert sich Mer­kels da­ma­li­ger Si­cher­heits­be­ra­ter und heu­ti­ge Vor­sit­zen­de der Münch­ner Si­cher­heits­kon­fe­renz, Chris­toph Heus­gen. Die in­ne­r­ukrai­ni­schen Macht­kämp­fe zwi­schen der Op­po­si­tio­nel­len Ju­li­ja Ty­mo­schen­ko und dem da­mals am­tie­ren­den Prä­si­den­ten Juscht­schen­ko sei­en ein Haupt­hin­der­nis für al­le wei­ter­ge­hen­den In­te­gra­ti­ons­plä­ne der Ukrai­ne ge­we­sen. Bei den Ukrai­nern aber ist vor al­lem eins hän­gen ge­blie­ben: Mer­kels Nein.

    Bis in die Tie­fen­zo­nen der po­li­ti­schen Kul­tur rei­chen die Dif­fe­ren­zen. Die Mil­lio­nen so­wje­ti­schen Op­fer des Zwei­ten Welt­kriegs wur­den in Deutsch­land lan­ge Zeit nur Russ­land zu­ge­rech­net. Dass die Ukrai­ne ne­ben Be­la­rus 1941 bis 1945 der zen­tra­le Schau­platz des deut­schen Ver­nich­tungs­kriegs ge­gen die So­wjet­uni­on war, spiel­te in der of­fi­zi­el­len Er­in­ne­rungs­kul­tur kaum ei­ne Rol­le. Die Ver­söh­nungs­ri­tua­le kann­ten stets nur ei­ne Rich­tung: Mos­kau.

    Das Schick­sal der Ukrai­ne im Zwei­ten Welt­krieg, sag­te der US-ame­ri­ka­ni­sche His­to­ri­ker Ti­mo­thy Sny­der jüngst in ei­nem In­ter­view mit der ZEIT, sei »der ge­wal­tigs­te blin­de Fleck« in der Ver­gan­gen­heits­po­li­tik der Bun­des­re­pu­blik ge­we­sen. Die Ukrai­ne »war das Haupt­ziel von Hit­lers Ko­lo­ni­al­krieg, er woll­te sie als Korn­kam­mer und Sied­lungs­ge­biet. Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung und Ost­po­li­tik oh­ne die Ukrai­ne zu be­trei­ben hat des­halb nie­mals Sinn ge­habt, vor al­lem nicht nach 1991. Trotz­dem ha­ben die Deut­schen jahr­zehn­te­lang ge­nau die­sen Feh­ler be­gan­gen.«

    Um­ge­kehrt blickt man in Ber­lin nicht erst seit dem rus­si­schen Über­fall mit ei­ner Mi­schung aus Un­ver­ständ­nis und Ge­reizt­heit auf den Nach­barn im Os­ten. Die­se Hal­tung wird ak­tu­ell, mit­ten im Krieg, nicht mehr so deut­lich for­mu­liert, schon gar nicht of­fi­zi­ell, aber sie wirkt wei­ter, un­ter­grün­di­ger als vor­her, doch im­mer noch prä­sent.

    Spricht man mit Re­gie­rungs­ver­tre­tern der Am­pel­ko­ali­ti­on im Hin­ter­grund, in Run­den, aus de­nen nicht zi­tiert wer­den darf, in de­nen des­halb aber auch of­fe­ner ge­spro­chen wird, ist viel Miss­trau­en zu hö­ren. Fast re­gel­mä­ßig wird dann auf die Pro­ble­me der Ukrai­ne mit Kor­rup­ti­on ver­wie­sen, auf feh­len­de oder bes­ten­falls fra­gi­le de­mo­kra­ti­sche Struk­tu­ren, und im­mer wie­der wird über Ir­ri­ta­tio­nen mit der Re­gie­rung Se­len­skyj ge­klagt.

    Man­che Re­gie­rungs­ver­tre­ter for­mu­lie­ren die Sor­ge, in Kiew kön­ne sich ei­ne Re­gie­rung »im Tun­nel« oder un­ter dem Druck der Öf­fent­lich­keit im na­tio­na­len Über­schwang zu ir­ra­tio­na­len Hand­lun­gen hin­rei­ßen las­sen – et­wa zu ei­nem Ein­satz deut­scher Waf­fen für An­grif­fe auf rus­si­sches Ter­ri­to­ri­um. An­de­re be­schrei­ben den Ein­druck, Ber­lin müs­se deut­sche In­ter­es­sen ge­gen ei­ne Dis­kurs- und Sym­pa­thie-Über­macht ver­tei­di­gen, die Prä­si­dent Wlo­do­mir Se­len­skyj ge­schickt für sei­ne Zie­le ein­set­ze. Und die sei­en nicht in al­len Fäl­len un­be­denk­lich.

    So stark sind die Vor­be­hal­te, dass die Ge­sprächs­ka­nä­le zwi­schen Kiew und Ber­lin, je­den­falls nach Dar­stel­lung der ukrai­ni­schen Bot­schaft, ak­tu­ell »fast ein­ge­fro­ren« sind. Der Kon­takt zwi­schen der ukrai­ni­schen Re­gie­rung und dem deut­schen Kanz­ler­amt könn­te und müss­te nach Mei­nung von Bot­schaf­ter An­drij Melnyk viel in­ten­si­ver und ver­trau­ens­vol­ler sein. Al­le zwei, drei Wo­chen, so be­rich­tet es Melnyk und so be­stä­tigt es die Bun­des­re­gie­rung, or­ga­ni­sie­re man ein di­rek­tes Te­le­fo­nat zwi­schen Kanz­ler Scholz und Prä­si­dent Se­len­skyj. Ge­sprä­che gibt es au­ßer­dem zwi­schen Scholz’ au­ßen­po­li­ti­schem Chef­be­ra­ter, Jens Plöt­ner, und Se­len­sky­js Stabs­chef, An­drij Jer­mak. Jer­maks Pen­dant im Kanz­ler­amt wä­re ei­gent­lich Kanz­ler­amts­chef Wolf­gang Schmidt. Da Plöt­ner und Jer­mak sich aber schon seit Jah­ren ken­nen, blei­be es bei Ge­sprä­chen auf die­ser Ebe­ne, wenn denn über­haupt ge­spro­chen wer­de.

    Über das Te­le­fo­nat zum Bei­spiel, das Frank­reichs Prä­si­dent Ma­cron und Bun­des­kanz­ler Scholz am ver­gan­ge­nen Sams­tag mit Wla­di­mir Pu­tin ge­führt ha­ben, war die Ukrai­ne nach Wis­sen von An­drij Melnyk vor­ab nicht in­for­miert. Ein Ge­spräch da­nach mit Prä­si­dent Se­len­skyj ha­be es noch nicht ge­ge­ben. Das Kanz­ler­amt konn­te das am Mon­tag we­der be­stä­ti­gen noch de­men­tie­ren. Die ukrai­ni­sche Bot­schaft in Ber­lin wird nach ei­nem sol­chen Ge­spräch mit Pu­tin nor­ma­ler­wei­se zwar vom Kanz­ler­amt un­ter­rich­tet; viel mehr als das, was auch in der Pres­se zu le­sen ist, er­fah­re man al­ler­dings eher sel­ten, so Melnyk.

    Bes­ser sind of­fen­bar die Kon­tak­te ins Aus­wär­ti­ge Amt. Mit ei­ner Aus­nah­me. An­drij Melnyks Ver­hält­nis zu Baer­bocks Staats­se­kre­tär An­dre­as Mi­chae­lis, ei­nem en­gen Ver­trau­ten von Frank-Wal­ter Stein­mei­er, der als Bin­de­glied zwi­schen Aus­wär­ti­gem Amt und Kanz­ler­amt gilt, ist schwie­rig. Mi­chae­lis, so er­in­ner­te sich Melnyk ge­le­gent­lich in ei­nem Ge­spräch, war schon 2016 so ge­nervt von den kri­ti­schen In­ter­views des Bot­schaf­ters, dass er ihn ein­mal zum Ge­spräch ge­la­den hat – da­mals noch als Po­li­ti­scher Di­rek­tor un­ter Au­ßen­mi­nis­ter Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Nach Melnyks Er­in­ne­rung wa­ren die In­ter­views des Bot­schaf­ters in ei­ner Map­pe ge­sam­melt und ein­zel­ne Pas­sa­gen bunt an­ge­mar­kert wor­den. Das Aus­wär­ti­ge Amt woll­te den Vor­gang we­der de­men­tie­ren noch be­stä­ti­gen.

    Auch Prä­si­dent Se­len­skyj hat deut­sche Po­li­ti­ker im­mer wie­der ir­ri­tiert und ver­är­gert. Ein da­ma­li­ges Mit­glied der deut­schen De­le­ga­ti­on, das sich nur un­ge­nannt äu­ßern will, er­in­nert sich an ein hoch­ran­gig be­setz­tes Tref­fen meh­re­rer Re­gie­rungs­chefs, des­sen Zu­stan­de­kom­men die Deut­schen als gro­ßen Er­folg an­sa­hen. Se­len­skyj sei un­ter enor­mem in­nen­po­li­ti­schen Druck an­ge­reist, das blo­ße Tref­fen leg­ten ihm sei­ne po­li­ti­schen Geg­ner in der Ukrai­ne be­reits als Ver­rat aus. Aber schon in sei­nem Ein­gangs­state­ment ha­be der ukrai­ni­sche Prä­si­dent al­les ab­ge­räumt, wor­auf sich die di­plo­ma­ti­schen Ar­beits­stä­be der Teil­neh­mer­län­der in müh­sa­men Vor­ge­sprä­chen ge­ei­nigt hat­ten. Nie­mand sei dar­auf vor­be­rei­tet ge­we­sen, die Gip­fel-Cho­reo­gra­fie zer­stört wor­den; Pu­tin ha­be das um­ge­hend ge­nutzt, um die Ukrai­ner als un­zu­ver­läs­sig dar­zu­stel­len. Ei­ne Ein­schät­zung, die auch in Ber­lin von nicht we­ni­gen ge­teilt wird. Aus Sicht man­cher deut­scher Di­plo­ma­ten war die Re­gie­rung Se­len­skyj schon im­mer so et­was wie ei­ne Trup­pe Punks, die mit ih­rem Non­kon­for­mis­mus das di­plo­ma­ti­sche Pro­to­koll spreng­te.

    Nun wird – wäh­rend im Don­bass ge­kämpft wird, wäh­rend die Ukrai­ne in die De­fen­si­ve ge­rät – in Ber­lin vor al­lem die Sor­ge ge­äu­ßert, Prä­si­dent Se­len­skyj kön­ne den Krieg nut­zen, um sei­ne Macht aus­zu­bau­en – und sich zu ei­nem au­to­kra­tisch re­gie­ren­den Prä­si­den­ten ent­wi­ckeln. Die Ver­fas­sung gibt ihm schon in Frie­dens­zei­ten ei­ne star­ke Po­si­ti­on, ähn­lich wie dem fran­zö­si­schen Staats­ober­haupt, sa­gen Ken­ner des Lan­des, und er ma­che da­von Ge­brauch. Tat­säch­lich ha­be Se­len­skyj ei­ne Ten­denz, von ihm ab­hän­gi­ge In­sti­tu­tio­nen wie et­wa das Prä­si­di­al­amt und den Si­cher­heits­rat auf­zu­wer­ten und da­mit Ge­rich­te und Par­la­ment zu mar­gi­na­li­sie­ren, sagt And­re Här­tel von der SWP. »Ich se­he trotz­dem nicht, dass hier schon Tat­sa­chen ge­schaf­fen wer­den, die aus der Ukrai­ne ein an­de­res Sys­tem ma­chen. Das Par­la­ment tagt re­gel­mä­ßig, dis­ku­tiert, es gibt dort auch Kri­tik an der Re­gie­rung.«

    Vor al­lem aber brau­che Se­len­skyj im Krieg die Un­ter­stüt­zung der ge­sam­ten Ge­sell­schaft. Er müs­se al­le so­zia­len Res­sour­cen mo­bi­li­sie­ren, nur dann kön­ne er Er­folg ha­ben. Dar­aus kön­ne sich nach dem Krieg, so Här­tel, »auch ein Fens­ter der Mög­lich­kei­ten für die Zi­vil­ge­sell­schaft öff­nen. Als Preis da­für, was man wäh­rend des Krie­ges ge­leis­tet und er­lit­ten hat, könn­ten die Men­schen Re­for­men ver­lan­gen, zum Bei­spiel bei der Kor­rup­ti­ons­be­kämp­fung.«

    Kor­rup­ti­on ge­be es in der Ukrai­ne, sa­gen al­le Ken­ner des Lan­des, und auch der Ein­fluss der Olig­ar­chen sei noch er­heb­lich. Aber die Ent­täu­schung in der Bun­des­re­gie­rung über die aus­blei­ben­den oder zu lang­sa­men Re­for­men in der Ukrai­ne, sagt die ehe­ma­li­ge grü­ne Ost­eu­ro­pa-Ex­per­tin Ma­rie­lui­se Beck, sei »wie die Ent­täu­schung des Leh­rers über den un­zu­rei­chen­den Schü­ler, es ist ein pa­tri­ar­cha­li­scher An­satz ge­gen­über der Ukrai­ne«. Und die mas­si­ve Kor­rup­ti­on in Russ­land hat noch nie ei­ne Bun­des­re­gie­rung da­von ab­ge­hal­ten, engs­te Kon­tak­te zu Mos­kau zu pfle­gen.

    Wie Deutsch­land und die Ukrai­ne aus der wech­sel­sei­ti­gen Bo­ckig­keit her­aus­fin­den könn­ten, ist im Mo­ment nicht leicht zu sa­gen. Ver­zet­telt sich Deutsch­land in al­tem Den­ken? Müss­te es neu­gie­ri­ger sein ge­gen­über Ost­eu­ro­pa, we­ni­ger trot­zig, we­ni­ger fi­xiert auf die ver­gan­ge­nen Er­fah­run­gen? Be­hin­dern die al­ten so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Prä­gun­gen ei­nen neu­en Blick? Viel­leicht ist es aber auch ganz ein­fach. Viel­leicht wä­re es ei­ne gu­te Idee, statt mit Pu­tin und Ma­cron über die Ukrai­ne zu re­den, mehr mit der Ukrai­ne zu re­den. Vor­aus­ge­setzt, Ber­lin woll­te wirk­lich Ein­fluss neh­men auf die Ent­wick­lung dort – und nicht bloß noch ei­nen Vor­wand su­chen, nichts zu tun.

    Ti­na Hil­de­brandt, Jörg Lau, An­na Sauer­brey, Mi­cha­el Thu­mann, Hein­rich We­fing

    http://www.​zeit.​de/​

  2. Jean

    Die ganze anbiederung an die ukraine ist unertraeglich .
    Was hat dieses land der welt denn seit seiner unseligen unabhaengigkeit anno 91 gebracht…rechtsextreme azovbrigaden und nationalistische politclowns a la zelenski oder klitschko.
    Man kann diese gelbblaue flagge und ihre agitatoren nicht mehr sehen.

  3. Phil

    @Jean – Mittlerweile empfindet man auch die blaue Flagge mit den gelben Sternchen als störend.
    Aktuell bemüht sich der Westen, neben dem russischen Bären, heftig um den chinesischen Drachen am Schwanz aus seinem Bau zu ziehen…

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