„Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört.“ — Jean Jacques Rousseau
Boden. Im Kontext dieses Beitrages genauer: Grund und Boden. Ein absolutes Reizthema in der aktuellen Wohnraumkrise mit exorbitanten und noch weiter explodierenden Immobilienpreisen in Mariens gar nicht mehr so beschaulichem Ländle – zumindest nicht in diesem Zusammenhang, das sicherlich nicht! Boden: Lebensbasis, Kulturgut, Ware – eine wahrlich sehr tiefgreifende Diskussion, die die Gemüter erhitzt.
„Jedes Haus braucht einen Grund“, so die Aussage eines Architekten zum Thema: Der Boden ist der natürliche Siedlungsplatz des Menschen. Er bietet die unverzichtbare Basis für die Ernährung, für das Wohnen, das Arbeiten und für die Erholung. Fast jede menschliche Tätigkeit ist mehr oder weniger mit einer Nutzung des Bodens verbunden, und zugleich hat er neben seinem materiellen Wert einen mentalen: Mit dem Boden verbinden sich auch Heimatgefühle und geschichtliche Identifikation. Dennoch hat der Lauf der Zeit dazu geführt, dass der Boden nicht jedermann und nicht für jeden Zweck gleichermaßen und frei zur Verfügung steht. Die Spekulation, die sich in immer deutlicherer Weise des nicht vermehrbaren Gutes des Bodens bemächtigt hat, verhindert mitunter die freie Entfaltung des individuellen und kollektiven Handelns in der Gesellschaft. So ist das Wohnen in einigen Metropolen inzwischen nur noch ein eingeschränktes Grundrecht. Und die immer umfassendere Aneignung der Erdoberfläche durch den Menschen könnte den Boden selbst zu einer schwindenden Ressource werden lassen.
Womit eigentlich die aktuellen Umstände in unserem Ländchen mit evident beschränkten und eingeschränkten Möglichkeiten der Nutzung des Grund und Bodens zumindest teilweise beschrieben wären. Auch wenn man eher geneigt ist, ob der aktuellen Umstände seine mehr als berechtigten Zweifel an diesem Fakt zu äußern, weil einige so tun, als sei eben diese Ressource „Boden“ ohne Limit verfügbar – einfach unverantwortlich! Doch das alles ist nicht neu, längst bekannt und heuer heftig debattiert. Und die Politik, die eher hilflos dasteht, ist seit langem extrem gefordert, gar überfordert – siehe ebendiese (total gescheiterte) „Chefsache “ seit der Ära JCJ! Doch wen kann das schon wundern in einem System, in dem das Eigentum mehr als sakrosankt ist. Und deshalb verwundert auch kaum, dass besonders junge Menschen, deren Zukunft auch im Kontext der Wohnraumdebatte sehr ernst aussieht, diese evidente Krise des Wohnens endlich mit völlig neuen Tönen befeuern. Zitieren wir an dieser Stelle den Text eines jungen Editorialisten des « Tageblatt », der sich „ neue Bündnisse “ zu schmieden wünschte und die folgenden Fragen aufwarf: Darf Grund und Boden weiterhin Privateigentum und handelbare Ware sein – mit der Folge, dass das elementare Bedürfnis nach adäquatem Wohnraum unerfüllbar wird? Oder ist der Boden aus der Reihe der möglichen Anlagegegenstände herauszunehmen und in gesellschaftliches Eigentum zu überführen? Womit wir dann wieder bei Jean – Jacques Rousseau und seinem einleitenden Zitat wären…
Eigentum ist Diebstahl! So wurde Rousseaus Gedanken von Proudhon weitergesponnen. Sobald der verfügbare Boden einmal aufgeteilt war, konnte der eine sich nur mehr auf Kosten das anderen vergrößern. Herrschaft und Knechtschaft, Gewalttätigkeit und Räubereien kamen auf. Die Menschen wurden habgierig, ehrgeizig und boshaft. Nach Rousseaus Philosophie war die Entstehung des Eigentums, dessen Zulassung folglich das erste Unheil: sie schuf Reiche und Arme. Die Einsetzung einer Obrigkeit war das zweite Unheil: sie schuf Herrschende und Beherrschte. Die Ausartung der Macht in Willkür war das dritte Unheil: sie schuf Herren und Sklaven, denen als einzige Pflicht der Gehorsam bleibt. Ganz einfach zusammengefasst: eine Handvoll Reicher schwelgt im Überfluss, während die Masse der Hungernden das Notwendigste entbehrt. Soweit dann Rousseau. In unserer heutigen, ach so modernen Gesellschaft wird Rousseau natürlich ignoriert, es regiert die Macht des Eigentums, meint die Großmacht des Kapitals, der Besitzer des Grund- und Bodens. Im Klartext: Macht hat der, der über Grund und Boden verfügt, der diktieren kann, was Sache ist, ohne Rücksicht auf das elementare Recht des Wohnens, das sogar im Mietverhältnis jene privilegiert, die sich hierzuländchen die immer höher werdenden Mietpreise überhaupt noch leisten können – vom Grundbesitz mit Eigenheim ganz zu schweigen. Wer sich das Bauen noch irgendwie leisten kann, baut im Ausland, sprich in der Grenzregion, die „Grande Région“, von der unsere politische Klasse so gerne tönt – um dann auch dort die Preise nachhaltig zu verderben. Wir drehen in einem Teufelskreis, den nur der dezidierte Eingriff der öffentlichen Hand regeln kann. Wie schwer man sich allerdings tut, entschlossen gegenzusteuern (wobei das Stichwort „Steuer“, meint Grund – und Spekulationssteuer, schon mal fällt) dürfte bekannt sein. Weshalb nicht, neben der Grundstücks – Erbpacht weiter die Erbpachtwohnungen fördern? Erbpacht ist bekanntlich die Nutzung eines Grundstücks über einen festgeschriebenen Zeitraum, der häufig zwischen 50 und 99 Jahren liegt. Dafür fallen monatliche oder jährliche Zahlungen an, der Erbbauzins. Genau dieser Modus muss von Staat und Gemeinden drastisch ausgebaut und gefördert werden. Deshalb braucht die öffentliche Hand natürlich noch mehr Möglichkeiten, wofür die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen und ein eventueller Eingriff ins grundlegende Eigentumsrecht mit schnelleren Enteignungsmaßnahmen im Sinne des Gemeinwohls als radikaler Ansatz akzeptiert werden müssten.
Nur: Wer hat dafür die politische Courage?
Frank Bertemes