Irrwege sind Wege mit viel Abwechslung
und der Chance durch die Abzweigungen zu lernen.
Peter Sereinigg (Unternehmensberater, Mentaltrainer)
Besonders jedoch aus Irrtümern…
Ebendies könnten wir im Bildungsbereich von Schweden und Dänemark lernen, die in Europa die Länder sind, die den Schulunterricht am stärksten digitalisiert haben. Doch nun legen die Vorreiter der (bedenklichen) Schuldigitalisierung ob evidenter Erkenntnisse in der Tat den Rückwärtsgang ein, während andere Länder (wie wohl auch unser Ländchen?) genau das Gegenteil tun – um im Endeffekt was dabei zu riskieren? Es macht sich nun glücklicherweise in diesen beiden Vorreiterländern im Kontext der Digitalisierung in den Schulen immer mehr die Einsicht breit, dass diese moderne Praxis vor allem der IT-Branche genützt, den Kindern jedoch geschadet hat. Da Einsicht bekanntlich der Anfang aller Weisheit ist, wollen nun beide Länder ob ebendieser gewonnenen Erkenntnisse das Bildschirmlernen deutlich reduzieren. Und das ist schon mal sehr gut so! Nur-was veranstalten wir hierzuländchen? Hören wir etwa den Forderungen einer nationalen Schülervertretung CNEL zu? Das wäre jedenfalls im Sinne der Schlussfolgerungen der genannten Vorreiterstaaten sicherlich ein fataler Irrweg…
Zum Inhalt: Laut der im Dezember des vergangenen Jahres vorgestellten Pisa-Schulstudie nutzen dänische Schulkinder von den 81 beteiligten OECD-Ländern die meisten digitalen Werkzeuge im Unterricht. 72% von ihnen nutzten in fast jeder Unterrichtsstunde digitale Hilfsmittel. Dänemark und Schweden setzen in Grundschulen und sogar schon in der Vorschule Computer ein. Doch damit soll nun Schluss sein. Nach Berichten hat Schwedens Bildungsministerin im Sommer den Erlass rückgängig gemacht, nach dem alle Grundschulen mit Tablets ausgerüstet werden sollen. Lange war Schweden stolz auf seine digitalen Klassenzimmer. Doch daran gibt es, so ein Bericht der Tagesschau zum Thema, inzwischen viel Kritik. Die Lernkompetenz gehe stark zurück, warnt Schwedens Regierung und will deshalb wieder mehr Bücher in den Schulen sehen. Und bevor es zum Unterricht geht, heißt es: Handy abgeben! So soll das auch bitte sehr sein! Eine schwedische Grundschullehrerin, so der richtungsweisende Bericht, stellt fest, “Die Lesegeschwindigkeit, der Wortschatz und das Leseverständnis sind insgesamt bei den Schülern zurückgegangen. Wir glauben, dass es daran liegt, dass wir zu viel digital gemacht haben.”
Aufgrund einer Studie des renommierten schwedischen Karolinska-Instituts, wären die Vorzüge des Computerlernens unbelegte Behauptungen und die negativen Wirkungen auf die Schulkinder seien gut dokumentiert. Der Bildungsminister Dänemarks zog nach und entschuldigte sich bei den Schulkindern dafür, dass sie als „Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment“ missbraucht worden seien. Man lese und staune…Zu lange habe man sich den großen Tech-Konzernen unterworfen und sei als Gesellschaft in die Wunder der Digitalwelt „zu verliebt“ gewesen. Jetzt müsse man, zum Schutz der Kinder und Jugendlichen, dringend umsteuern, damit (Zitat) „wieder regulär unterrichtet werden kann und konzentriertes Arbeiten in Klassen wieder möglich wird.“ Ferner wurden neue Empfehlungen für den Umgang mit privaten und schulischen Bildschirmgeräten vorgelegt. Private digitale Geräte sind im Unterricht nicht mehr zugelassen und schuleigene Geräte sollen nur noch dann eingesetzt werden, wenn sie definitiv im Unterricht sinnvoll sind. Das dänische Ministerium empfiehlt die Smartphone-freie Schule und eine Verringerung der Bildschirmzeiten innerhalb und außerhalb der Schule, der Zugriff auf das Internet soll anhand einer Positivliste auf unterrichtsrelevante Netzdienste beschränkt sein.
Das sind schon mal wertvolle Schlussfolgerungen aus einem von diesen Ländern nun korrigierten Bildungsirrweg, die durchaus auch unserem Schulsystem richtungsweisend im diesbezüglichen Kontext der Digitalisierung sein könnten …
Doch hierzulande sieht es leider völlig anders aus. Unsere scheinbar sehr aktive nationale Schülervertretung spuckt da schon mal ganz andere Töne, wie man telegen und medial verfolgen konnte. Dementsprechende Pressezitate (cf. Wort vom 21. Februar) des dezidiert auftretenden Präsidenten dieser Vereinigung: „Das Handy gehört zu einer fortschrittlichen Schule, darf demnach nicht verboten werden – Man sollte vom Frontalunterricht zugunsten eines interaktiven und partizipativen Unterrichts wegkommen, bei dem die Schüler mehr Mitspracherecht haben , was die Unterrichtsform angeht, sowie die Themen , die im Unterricht behandelt werden sollen – Die Sprachenvielfalt sollte als Stärke des Landes beibehalten werden, mehr Wahlfreiheit beim Sprachenunterricht , demnach sollten die Schüler ihre Unterrichtssprache frei wählen können.“
Ferner darf natürlich die (fantastische) KI nicht fehlen, die in der Schule thematisiert und auch eingesetzt werden müsste…Ach, ihr allwissenden Schüler, sollte man die Lehrer denn nicht gleich abschaffen und durch eine künstliche „Intelligenz“ (wobei diese Bezeichnung, so jedenfalls ein kritischer Philosoph und Mitglied des deutschen Ethikrates deutlich, an sich schon total daneben liegt, dem man nur voll zustimmen kann) ersetzen? Unsere ach so klugen Schüler mit ihrer beachtlichen Lebenserfahrung können da doch total der ihnen wohl voll und ganz gehorchenden KI vertrauen, die ihnen – im Gegensatz zu der ignoranten und realitätsfernen Lehrerschaft – schon das vermitteln wird, was sie, die zukünftigen „Erwachsenen“, für ihr Leben – in einer wirtschaftsliberalen Berufswelt, versteht sich – wissen müssen oder zu wissen haben, oder? Ach ja, so etwas nennt sich heuer doch eher Kompetenz und nicht mehr Wissen und von „kritischem Geist“, geschweige denn einer entsprechenden politischen Gesinnung wird die diesbezüglich programmierte KI – die natürlich (noch?) nicht „intelligent“ nach unserem menschlichen Verständnis ist – wohlweislich natürlich rein gar nichts vermitteln. Das Diktat der Konzerne, der politischen und neoliberalen Eliten dieser Erde wird schon die (vermeintlich) „richtigen“ Vorkehrungen treffen – und unsere Schüler werden sich mit fantastischen Diplomen ausgestattet, furchtbar „kompetent“ fühlen. Und mit offenen Armen vom Arbeitsmarkt empfangen werden…
Von anderer Seite wird jedoch schon mal präzisiert, dass (nach der gerade geäußerten „Satire“) dem wohl doch nicht so sein wird: „Lehrtätigkeit hat noch nie nur darin bestanden, Wissen zur Verfügung zu stellen. Deshalb kann eine KI die Lehrerinnen und Lehrer nicht ersetzen. Ich glaube eher, dass die Lehrkräfte, die diese Systeme einsetzen, früher oder später diejenigen ersetzen werden, die sie nicht einsetzen.“ So jedenfalls der wissenschaftliche Experte der Uni Luxemburg, Dr. Robert Reuter. Doch mit Summit Learning (Facebook), Google Classroom oder Apple Education gibt es in den USA heute schon vollautomatisierte Systeme für eine Beschulung per Netz und Cloud in Luxemburg. Sind menschliche Lehrende nun doch ein Auslaufmodell?
Es wird wohl noch heftige Debatten um das Reizthema „Digitale Bildung“ geben, doch die Basis aller Bildung, allen Wissens, ist und bleibt das Lesen – das immer mehr (digital) verlernt wird – ein Irrweg, den es (siehe oben) entschlossen zu bekämpfen gilt!
Egal wie: Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten. – So Aldous Huxley….