Die Welt wirkt derzeit wie ein Pulverfass. Täglich neue Spannungen, neue Drohgebärden, neue Eskalationsszenarien. Krieg ist plötzlich kein fernes Schreckgespenst mehr, sondern wieder Teil der politischen Sprache, Teil der Realität, Teil der Vorbereitung. Politiker reden offen über Truppen, Rüstungsprogramme, Wehrpflicht, Notfallvorsorge für den Kriegsfall – und „Verantwortung“. Zugleich pflegt man die Erinnerungskultur, ehrt die Opfer vergangener Kriege, stellt Mahnmale auf und wiederholt die alten Worte:
„Nie wieder Krieg.“
Und gleichzeitig rüsten alle auf.
Karl war jemand, der all das schon lange beobachtete – mit wachsender Sorge. Er war keiner, der auf die Straße ging oder sich in Foren erregte. Kein Aktivist, kein Parteigänger, kein Verschwörungstheoretiker. Einfach ein aufmerksamer Bürger. Einer, der liest, denkt, hinterfragt. Still, aber konsequent. Und irgendwann hatte Karl genug. Genug vom politischen Nebel, genug vom medialen Geschrei, genug vom gedanklichen Stillstand.
Er wollte etwas tun – etwas, das nicht brüllt, nicht provoziert, nicht zerstört. Etwas, das aufrüttelt, ohne zu verletzen.
Also schickte er zwei kleine Pakete an ausgewählte Politiker. Keine Drohung. Kein Hassbrief. Kein Ultimatum.
Einfach nur zwei Bücher.
Eines von Erich Fromm, das andere von Hannah Arendt. Dazu ein kurzer Zettel.
Am nächsten Tag meldeten die Nachrichten:
„Bombenalarm im Ministerium. Ein verdächtiges Paket.“
Die Polizei rückte an, der Sprengstoffdienst wurde informiert, das Gebäude evakuiert. Die Sicherheitsprotokolle liefen an, das Personal wurde in Sicherheit gebracht. Schließlich – nach stundenlangem Aufruhr – die Entwarnung.
Keine Bombe. Keine Gefahr.
Nur zwei Bücher.
Mit der Notiz:
„Diese Bücher sind schon etwas älter. Aber sie werden wieder sehr aktuell. Vielleicht sollten Sie sie mal lesen.“
In einer Zeit, in der Denken zunehmend durch Panik ersetzt wird, in der man Meinung mit Feindlichkeit verwechselt und Kritik mit Verrat, war Karls Geste ein stiller Protest.
Keine Bombe. Kein Zorn. Nur ein Aufruf:
Zurück zum Menschsein. Zurück zur Verantwortung. Zurück zur Vernunft.
Ernesto Fluni