” La vie et la mort ne s’excluent pas.” Gaston Vogel
Im August des Jahres 2017 schenkte mir Gaston Vogel ein außergewöhnliches Buch mit herrlichen Fotos, die er selbst aufnahm und die er, neben seinen Textbeiträgen, in seinem beachtlichen Werk „Au Jardin nocturne de l’Inde immémoriale.“ veröffentlichte.
In diesem, wie auch in anderen seiner sehr persönlichen Büchern, die er neben den viel verkauften Schriften von Gaston Vogel, die sehr bekannt sind, rein privat einem engen Personenkreis schenkte, offenbart der Autor einen Menschen, dessen Vielseitigkeit dem breiten Publikum eher unbekannt sein dürfte. Wir erleben in diesem großformatigen Werk einen spirituellen Humanisten, das einen Mann, dessen enge Verbundenheit mit Indien und dessen immensen Reichtum an phantastischen Schönheiten, die ihn einfach nicht loslassen konnten, deutlich machen will – und das ihm bestens gelungen ist. Gaston Vogel ignoriert keineswegs die schlimmen sozialen Zustände dieses riesigen Landes, eine Misere, die allerdings, so der Autor, die klare Konsequenz der kolonialen, christlichen Ausbeutung darstellt. Ein Beispiel unter vielen, übrigens….

Doch sein vorliegendes Werk soll keine politisch-historische Darstellung sein, sondern vielmehr ein Beispiel der Dankbarkeit an unvergessliche Momente, die Gaston Vogel in diesem fernen und mysteriösen Land erleben durfte und die ihn zum Entschluss führten, all diese Erinnerungen an ein besonderes Land, das er mehrmals bereiste, mittels eindrucksvoller Fotos und erklärender, spiritueller Texte für ewig festzuhalten.
Und ja, dieser auch spirituell geprägte, kompetente Mensch Gaston Vogel, der sich selbst als Atheisten bezeichnete, jedoch die Spiritualität mitnichten ausklammerte und die, im Gegenteil, einen festen Bestandteil seiner Persönlichkeit ausmachte, soll uns auch als solcher in Erinnerung bleiben.
In diesem Sinne ist auch die ausdruckskräftige Textpassage zu lesen, in der er bemerkt, dass unserem westlichen, abendländischen Geist nicht wahrnehmbar zu sein scheint, dass die im einführenden Zitat erwähnten Gegensätze einander durchaus ergänzend zu interpretieren sein sollen.
In dem Sinne dann noch folgendes, was die auch im Buch erwähnten Begriffe Yoga, Karma und Samsara für die am Thema interessierte Leserschaft dieses Beitrages erklärend ausführen soll:
Kleshas und Karma (aus „Patanjalis Yogasutra“)
Wessen Geburt ist gesegnet? – Dessen, der nicht mehr wiedergeboren werden muss.
Und wer ist unsterblich? – Derjenige, der nicht durch einen weiteren Tod gehen muss.
Die Keshas sind die Wurzeln des angesammelten Karmas, das in diesem oder einem künftigen Leben erfahren wird. Solange diese Wurzel existiert, wird sie Früchte hervorbringen, nämlich: Geburt, Lebenszeit und Lebenserfahrungen.
Es hängt von Verdiensten und Fehlern ab, inwieweit diese als freudvoll oder schmerzhaft erfahren werden.

Karma und Reinkarnation sind Grundpfeiler der indischen spirituellen Philosophie. Daran lässt auch das Yogasutra nicht den geringsten Zweifel. Karma kommt von kar – aus der altindischen Sprache Sanskrit – und handeln meint. Jede Handlung hat Gründe und ist selbst wieder Ursache, die neue Folgen zeitigt. Dieser Zusammenhang ist mit dem Wort Karma ebenfalls gesagt. Es ist das eherne Gesetz von Ursache und Wirkung, dem nichts und niemand im Kosmos entrinnen kann (…) – Karma bedeutet demnach Handlung. Der Buddhismus unterscheidet drei Handlungen: die des Körpers, die der Rede und die des Geistes. Alle Formen des menschlichen Handelns erzeugen Prägungen, die wiederum die Basis zukünftigen Handelns und Erfahrens sind.
Alles Denken, Sprechen und Tun hat Folgen – früher oder später, angenehme oder unangenehme. Es gibt einen „Ort“, ein „Feld“, in dem unsere vergangenen Handlungen gespeichert werden, Samen gleich, die darauf warten, Frucht zu tragen: karmashaya. Es ist dieses „eingesäte Feld“, das wiedergeboren wird – nicht unser Körper, unser Verstand oder unsere Gefühle. Dem Karma, das wir in der Vergangenheit erzeugt haben, können wir nicht ausweichen. Dessen Früchte werden wir also ernten müssen, so sagt dieses Gesetz, noch in diesem Leben oder einem künftigen – je nachdem, wann die geeigneten Umstände zur Reife gelangen. Und jeder Gedanke, jedes Wort, jede Handlung lässt wieder neues Karma entstehen. Und so laufen wir im Rad von Samsara, im Kreislauf von Tod und Wiedergeburt, bis wir ihn durch spirituelle Praxis auflösen und Yoga, meint Befreiung, Erlösung, das Himmelreich erlangen. Heute säen wir die Samen dessen, was wir einst ernten werden: nicht nur die Erfahrungen, denen wir uns werden stellen müssen, sondern – noch viel grundlegender – auch die Umstände der Geburt, also in welcher Form wir wiedergeboren werden (als Mensch oder anderes Wesen), und wie lange diese Form existieren wird.
Karma, so heißt es, ist eine Art kosmischer Mechanismus, eingerichtet, um uns zu lehren. Sein letztes Ziel ist es, uns zur Verwirklichung zu führen.

Wie bereits erwähnt sind diese Begriffe, vielleicht besonders das Samsara, ihm, Gaston Vogel , richtungsweisend in seinem hiesigen Dasein, seinem nun leider am 2ten November des Jahres 2024 überraschend abgebrochenen, sehr erfüllten und sinnvollen Lebens, gewesen. In einem seiner letzten Interviews bemerkte er, dass er sich auf den Tod, den großen Unbekannten, den er übrigens nicht fürchte, „freuen“ würde. Er läuft nun vielleicht, wie so viele in unserem direkten Bekanntenkreis, die wir kürzlich gehen lassen mussten, in der indischen Sicherheit des Karma weiter im sich drehenden Rad des ewigen Kreislaufes – bis zur Ankunft im Nirvana, im Erlöschen, Verwehen, dem großen Nichts, dem Endziel des Lebens als Zustand völliger Ruhe.
Gönnen wir es ihm…